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Neue Lernformen [#210]


Weitere InformationenDer Rektor der Geschwister-Scholl-Schule Tübingen wird über die Lernformen in der Gemeinschaftsschule berichten. Eine gemeinsame Veranstaltung der FW-, IGL- und SPD-Gemeinderatsfraktion.

Bürgertreff Ostertagshof
Donnerstag, 20. September 2012, 19:30 Uhr

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Die starken Kinder brauchen die Freiheit – und sie profitieren auch davon

Der große Saal des Ostertagshofes war gut gefüllt. Der anderthalbstündige Vortrag wurde immer wieder von Fragen der Anwesenden unterbrochen. Dr. Friedrichsdorf (Rektor der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen) konnte viele Bedenken gegenüber den neuen Lernformen seiner Schule zerstreuen.

Das Eingangsbild seines Vortrages zeigte einige Schülerinnen der Geschwister-Scholl-Schule, die auf dem Boden gemeinsam an einer Lernaufgabe arbeiten. Fotografen denken ja eher visuell, meinte der Schulleiter zu diesem Bild. Die sagen auch immer, 'in anderen Schulen sind die Kinder sauber aufgeräumt hinter ihren Tischen. Bei euch liegen sie auf den Fluren und sind mit Lernaufgaben beschäftigt'. Dabei ist das 'reine Notwehr': Wir haben für die neue Art zu lernen gar nicht genug Räume. Deshalb mussten die Flure genutzt werden. 'Aber die Stadt Tübingen unterstützt uns: Wir haben Möbel für die Flure gekriegt!' Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.

Statt eines starren, für alle Kinder geltenden Stundenplans gibt es an seiner Schule Zeitfenster fürs Arbeiten und Lerntagebücher. Die Kinder entscheiden, wann sie für welches Fach lernen. Sie kriegen von den Lerncoaches genannten Lehrern Mini-Inputs zu speziellen Themen. 'Eine gewisse Lehrtätigkeit gibt es auch bei uns.', meinte der Pädagoge augenzwinkernd. Allerdings dauern diese Kurzeinführungen für Kleingruppen nur maximal 15 Minuten und finden meist im Stehen statt. Danach entscheiden die Kinder, ob sie alleine oder in einer Lerngruppe an diesem Thema weiterarbeiten. 'Wenn ein Lernbegleiter aus dem Jugendprogramm anwesend ist, kann es sogar einen 1:1-Betreuung geben. Die Regel ist das aber nicht.' Mit dieser Art Freiheit können nicht alle Kinder sofort umgehen. Bisher haben aber nur zwei Kinder deshalb die Schule nach einem Jahr verlassen. 'Einer Schülerin war es einfach zu stressig, immer selber Entscheidungen zu treffen.' Sie ist dann an eine herkömmliche Realschule gewechselt. 'Aber die starken Kinder brauchen die Freiheit – und sie profitieren auch davon', zerstreut er Bedenken aus dem Publikum. Es gibt aber auch klare Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler, stellt Dr. Friedrichdorf klar. Wer sich durchmogeln möchte, wird in unserem System schneller erkannt als in einer herkömmlichen Schule, ist sich der Schulleiter sicher.

Die Jahrgangsstufen an dieser Tübinger Schule sind heterogen zusammengesetzt. '35 Prozent unserer Kinder haben eine Gymnasialempfehlung; die Hälfte sind Realschüler und nur 15 Prozent haben eine Hauptschulempfehlung.' Wichtig, ist, dass es auch für Schüler mit Gymnasialempfehlung ein gutes Angebot an der Schule gibt. Auch die individuellen Lerngruppen innerhalb eines Jahrgangs entgalten das ganze Leistungsspektrum: 'Wir nehmen die Kinder, so wie sie sind und schauen, was es aus welcher Schulart braucht', beschreibt der Schulleiter das Vorgehen. Dies setzt natürlich voraus, dass man über jedes einzelne Kind schnell zentrale Erkenntnisse herausfindet. Hierzu werden die Lehrer speziell fortgebildet und auch die Eltern müssen für die neuen Lernformen sensibilisiert werden. 'Die klassischen Schulnoten sind leistungsfeindlich', provoziert er das Publikum etwas. In seiner Schule wird deshalb eine fünfstufige Farbskala zur Benotung verwendet. Hierfür haben wir eine spezielle Software programmieren lassen. Die Farbskala lässt sich aber einfach in Schulnoten umwandeln, beruhigt er auf Nachfragen.

Wie lange denn der Umstieg auf die neue Lernformen dauert, wollte ein Zuhörer wissen. 'Wir haben den Einstieg gewagt und sind noch lange nicht fertig!', erläuterte er. Vermutlich dauert es 10 bis 15 Jahre, bis dieses Schulsystem in der Allgemeinheit etabliert ist, schätzte der Pädagoge.

Letzte Aktualisierung:
01.10.2012 9:47 Uhr

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